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Foto: hdgö

Die Diktatur der vielen Namen

Austrofaschismus? Ständestaat? Kanzlerdiktatur?

In der heutigen Beurteilung der Zeitgeschichte ist kaum eine Epoche so umstritten wie jene fünf Jahre, in denen Österreich vor 1938 diktatorisch regiert wurde. Besonders deutlich wird dieser Konflikt daran, dass es bis heute keine Einigkeit über den Begriff für die Bezeichnung des politischen Systems 1933/1934–1938 gibt. Austrofaschismus wird vor allem von linken Historiker*innen verwendet, Ständestaat eher von konservativen. In Schulbüchern werden diese unterschiedlichen Positionen bis heute oft in der Kompromissformel „austrofaschistischer Ständestaat“ verbunden. Der Namensstreit reicht bis in die Gegenwart, schließlich knüpft sich daran die Frage nach der politischen Verantwortung für die Zerstörung der Demokratie, den folgenden Aufstieg des Nationalsozialismus in Österreich und den dadurch ermöglichten reibungslosen „Anschluss“ an das nationalsozialistische Deutsche Reich 1938.


Dem Haus der Geschichte Österreich ist es ein Anliegen, die Geschichte dieser österreichischen Diktatur in einer Weise darzustellen, die diese unterschiedlichen Perspektiven sichtbar macht und gleichzeitig eine aktuelle Bewertung ermöglicht. Daher haben wir den neuen Begriff der „Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur“ vorgeschlagen, der betont, dass der Staat eine Diktatur war, dessen Selbstverständnis und Propaganda sich stark auf die beiden Bundeskanzler bezog. In unserer Hauptausstellung vermitteln wir, wie die Demokratie zerstört wurde, welche Merkmale diese Diktatur kennzeichneten und wie sie mit ihren Gegner*innen umging. Gleichzeitig haben wir eine interaktive Landkarte entwickelt, die auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Österreich und anderen Diktaturen dieser Zeit hinweist. Dieser europäische Vergleich zeigt auch, warum es fragwürdig ist, diesen Staat als „faschistisch“ zu bewerten oder als „Ständestaat“ zu beschönigen.  

 

Auf dieser Seite thematisieren wir die fünf am häufigsten verwendeten Bezeichnungen für das politische System in Österreich von 1933/1934 bis 1938. Die jeweilige Bedeutung und Verwendung dieser Begriffe wird erörtert und die Kritik daran zusammengefasst. Diese Inhalte machen wir hier mit einigen Hintergrundinformationen zugänglich. Greifbar wird die Debatte über die Bezeichnung und Bewertung in einer interaktiven Installation, die Ihnen in unserer Hauptausstellung die Möglichkeit gibt, die Begriffe und die Diskussion dazu direkt miteinander in Beziehung zu setzen.

Austrofaschismus

Bedeutung: Dieser Begriff betont die faschistischen Bezüge der Ideologie und stellt das System in eine Reihe mit italienischem Faschismus und Nationalsozialismus. Betont wird, dass die Ideologie der Diktatur sich am Feindbild Sozialismus orientierte.

 

Verwendung: In den 1930er Jahren wurde das Wort von Gegner*innen des Systems eingeführt und in den 1970er Jahren von der Politikwissenschaft für die historische Debatte wieder aufgegriffen. Heute wird die Bezeichnung von etlichen Historiker*innen als unbrauchbar eingestuft, von anderen bewusst verwendet (teils mit ausführlicher Begründung, teils auch als Symbol).

 

Kritik: Das Wort ist direkt aus der politischen (Gegen-)Propaganda der Zeit übernommen. Der Begriff wird auch heute meist in politisch linken Stellungnahmen und Beschreibungen verwendet und gilt als geschichtspolitisch aufgeladen. Die Bezeichnung ignoriert darüber hinaus, dass es ohne Zweifel große Unterschiede zum italienischen Faschismus und zum Nationalsozialismus gab. Eine Gleichsetzung übergeht damit auch, dass politische Gewalt in der österreichischen Diktatur einen vergleichsweise geringen Stellenwert hatte.

Regierungsdiktatur/Kanzlerdiktatur

Bedeutung: Kennzeichnend für diese Bezeichnungen ist, dass sie den Staat durch seine diktatorische Führung bzw. durch den Personenkult um die Kanzler beschreiben. Mit diesen Begriffen versuchen Historiker*innen, die kontroversielle Diskussion um die politisch aufgeladenen Begriffe Ständestaat und Austrofaschismus zu überwinden.

 

Verwendung: Seit den 1990er Jahren wurde dieser neue Begriff als neutralere Bezeichnung in wissenschaftlichen Arbeiten verwendet.

 

Kritik: Durch den Begriff der Regierungs- oder Kanzlerdiktatur wird das politische System unsichtbar, das die Diktatur stützte. Die Wendung vermeidet den Hinweis darauf, dass faschistische Elemente einflussreich in Teilen der Ideologie waren. Außerdem verbindet sich mit dem Begriff keine historisch klare Zuordnung zu Österreich 1933/1934–1938, er ist daher auch für eine internationale Verwendung wenig brauchbar.

Am Weg in die Diktatur wurde der Begriff Regierungsdiktatur von sozialdemokratischer Seite verwendet, wie dieser Bericht wenige Tage nach der Ausschaltung des Parlaments zeigt. Erst viel später wurde er von HistorikerInnen wieder aufgegriffen.
Am Weg in die Diktatur wurde der Begriff Regierungsdiktatur von sozialdemokratischer Seite verwendet, wie dieser Bericht wenige Tage nach der Ausschaltung des Parlaments zeigt. Erst viel später wurde er von Historiker*innen wieder aufgegriffen.
„Arbeiterzeitung“, 12.3.1933, Österreichische Nationalbibliothek

(österreichischer) Ständestaat

Bedeutung: Der Begriff „Ständestaat“ entspricht der Eigenbezeichnung des Regimes. Die „Ständestaat“-Ideologie stellt eine „neue, gerechte” Ordnung der Gesellschaft auf Basis der Berufsstände in Aussicht und lehnt Parteien und parlamentarische Demokratie ab. Inhaltlich bezieht sich das auf eine berufsständische Struktur des Staates, die in der neuen Verfassung vom 1. Mai 1934 vorgesehen war. Sie wurde allerdings nie im Detail geplant und auch nicht umgesetzt. Der Verweis auf Österreich betont die Eigenständigkeit des Staates und den Gegensatz zu NS-Deutschland.

 

Verwendung: In den 1930er Jahren wurde diese Bezeichnung vom Regime selbst eingesetzt. Nach 1945 wurde sie weiterhin verwendet, auch als wissenschaftlicher Begriff. Heute gilt diese Benennung als unbrauchbar für eine angemessene Beschreibung der Diktatur 1933/1934–1938.

 

Kritik: Der Begriff übernimmt die Selbstdarstellung aus der Propaganda der Diktatur und wird vor allem in Stellungnahmen von politisch konservativer Seite verwendet. Er ist daher erstens durch seine zeitgenössische Bedeutung stark belastet und zweitens auch durch seine spätere Verwendung nicht neutral. Vor allem aber gibt er der Ideologie der „ständischen Ordnung“ das Gewicht eines zentrales Erkennungsmerkmals, obwohl diese nie umgesetzt wurde. Die Bezeichnung verharmlost diktatorische und faschistische Elemente des Systems oder stellt diese überhaupt in Abrede.

Auf dieser Trauerkundgebung der Vaterländischen Front sind ganz rechts auch Symbole der geplanten einzelnen Stände zu sehen. Zur Einführung einer politischen Struktur im Sinne einer ständestaatlichen Organisation kam es jedoch nicht.
Foto: ACME/hdgö

Autoritärer Ständestaat/Ständestaat-Diktatur

Bedeutung:  Diese Begriffe benennen den autoritären bzw. diktatorischen Charakter des Systems. Sie versuchen die gegensätzlichen Positionen in der Debatte zusammenzuführen und damit zu neutralisieren.

 

Verwendung: Seit den 1970er Jahren sind diese Versuche, den Streit zu umgehen, in Wissenschaft und öffentlicher Diskussion gebräuchlich.

 

Kritik: Diese Begriffe gleichen die Positionen der politischen Lager aus, schreiben aber auch die Propaganda der Diktatur als „Ständestaat“ fort.  Der Einfluss faschistischer Ideologie rückt in den Hintergrund und der Begriff „autoritär“ vermeidet die klare Feststellung, dass es sich um eine Diktatur handelte.

Die Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur wollte ein Bewusstsein für Österreich stärken und sich von NS-Deutschland abgrenzen. Der Bezug auf die Monarchie stellte eine Tradition her. Mit der Verfassung 1934 wurde daher auch ein neues Staatswappen eingeführt: ein Doppeladler, der statt Kronen Heiligenscheine trug. Die Diktatur wurde also mit religiösen Symbolen abgesichert.
Foto und Objekt: hdgö

Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur

Bedeutung: Dieser Begriff betont vor allem die Bekämpfung und Abschaffung der Demokratie.  Er entwickelt die Wendung „Kanzlerdiktatur“ weiter und macht die Differenz zu Nationalsozialismus und italienischem Faschismus sichtbar. Der Vorschlag versucht die historischen Diskussionen weiterzuentwickeln.

 

Verwendung: Seit den 2000er Jahren wurde in neuen wissenschaftlichen Arbeiten die Wendung „Dollfuß-Schuschnigg-Regime“ als Lösung aus dem Begriffsstreit vorgeschlagen. Das hdgö entwickelte diesen Begriff weiter. Für seine Eröffnungsausstellung suchte das Museum nach einem verständlichen und klaren Begriff und veränderte daher diese Benennung mit dem Hinweis auf die Diktatur.

 

Kritik: Der Begriff macht unsichtbar, dass die Ideologie der Diktatur faschistische Bezüge hat und spitzt die Diktatur auf die Figuren der beiden Kanzler zu. Außerdem vernachlässigt diese Wendung die teils großen Unterschiede zwischen den Regierungen Dollfuß und Schuschnigg.

Detail der interaktiven Installation in der Hauptausstellung des hdgö.
Foto: hdgö

Credits

Entwicklung: Jennifer Carvill-Schellenbacher, Georg Hoffmann, Monika Sommer, Heidemarie Uhl

Redaktion und Erweiterung 2021: Stefan Benedik

Übersetzung: Joanna White

Herzlichen Dank für die Diskussion an: Aleida Assmann, Dieter A. Binder, John W. Boyer, Helmut Konrad, Wolfgang Maderthaner, Oliver Rathkolb, Dirk Rupnow, Franz Schausberger, Helmut Wohnout (Mitglieder des wissenschaftlichen bzw. internationalen Beirats des Hauses der Geschichte Österreich)