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Heute im hdgö

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Foto: Lorenz Paulus/hdgö, cc by-nc 4.0

Fucking im Museum

Warum die berühmte Ortstafel mehr ist als ein unterhaltsames Bildmotiv und welche Aufgaben für eine demokratische Gesellschaft dieses Beispiel zeigt.

Die wohl berühmteste Ortstafel Österreichs ist jetzt als Teil der Hauptausstellung des Hauses der Geschichte zu bestaunen – schließlich verbergen sich dahinter mehr Themen als auf den ersten Blick vermutet. Den Ausgang nimmt diese Geschichte zu Beginn der 2000er Jahre, als auch die Verbreitung von Bildern demokratisch wurde: Innerhalb von wenigen Monaten gründeten sich Plattformen wie Youtube, MySpace, Tumblr und Twitter, die nur durch den Inhalt ihrer UserInnen entstehen. Sie haben das Ausmaß der Aufmerksamkeit zum wichtigsten Faktor der Bewertung eines Bildes und auch deren Produzent*innen erklärt. Das änderte jedoch auch, wie Menschen mit Abbildungen von sich selbst umgehen: Zwar gilt es weiterhin für viele als erstrebenswert, abgebildet zu werden. Social Media ermöglichen es, den Traum der eigenen Berühmtheit – tatsächlich oder scheinbar – zu erfüllen. Hundert Jahre nachdem die immer billiger werdende Fotografie eine Demokratisierung der Produktion von Bildern eingeläutet hatte, begann sich aber auch die Schattenseite des Fotografiertwerdens zu zeigen. Heute haben alle Menschen die Chance, jederzeit in Medien für hunderttausende sichtbar zu werden – und damit auch das Risiko, praktisch überall und immer öffentlich erniedrigt zu werden. Ein extremes Beispiel dafür sind satirische Videos von Privaten, deren Witz dadurch entsteht, Menschen vorzuführen. Diese Grenzen zu überschreiten, kann gesellschaftskritisches Potential haben – beispielsweise, wenn dadurch Mächtige aufs Korn genommen werden. Wenn aber Privatpersonen für eine Inszenierung missbraucht werden und gegen die Verwendung dieser Bilder machtlos sind, verletzen solche Darstellungen die Menschenwürde.

 

Angesichts der großen Resonanz, die solche Bilder bekommen, stehen Social Media immer wieder pauschal in der Kritik. Übersehen wird dabei, dass auch in diesen neuen Formen der Verbreitung von Bildern Menschen für deren Kontrolle zuständig sind. Diese Verantwortung gilt es wahrzunehmen: Wie können Gesellschaften die Rechte von Menschen stärken, ohne dass damit Zensur zunimmt oder wichtige Informationen unterdrückt werden? Wie schafft eine Demokratie die Balance zwischen einer transparenten Gesellschaft und dem Recht der Einzelnen auf Privatsphäre? Die Geschichte der Ortschaft Fugging macht das Problem der möglichen Übergriffigkeit der grenzenlosen Bildproduktion und –verbreitung greifbar.

 

 

Selfies, YouTube-Videos und unfreiwilliges Marketing-Motiv: Der Ort mit der amtlichen Bezeichnung Fucking in der oberösterreichischen Gemeinde Tarsdorf hatte sich mit den Jahren an die satirische Darstellung seines Ortsnamens gewohnt. So wurde der Name bereits zur Vorlage für Bücher und Filme. Auch kürte eine britische Fernsehsendung das an sich unaufregende Örtchen als „must see“ auf einer vom Sender neuinterpretierten „Grand Tour“ durch Europa. Unter dem Hashtag „#fuckingaustria“ überschlagen sich auf Social Media die Beiträge von – vermeintlich oder tatsächlich – lustigen Fotografien an der Ortstafel. Genau diese Verkehrsschilder wurden auch immer wieder das Ziel von Diebstählen, selbst ein Anschweißen und Verankern brachte keine Abhilfe. Mit kuriosen Angeboten versuchten auch kommerzielle Plattformen die größer werdende Bekanntheit der Ortschaft für ihre Zwecke zu nutzen: Beispielsweise machte die kanadische Porno-Website Pornhub 2018 mit einem Gratis-Abo für alle volljährigen OrtsbewohnerInnen kalkulierte Schlagzeilen.

 

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Die 2020 amtierende Bürgermeisterin der Gemeinde, Andrea Holzner, erzählte dem hdgö, dass der Trubel um die Ortschaft die BürgerInnen von Tarsdorf lange Zeit nicht beeindruckt hatte. Immer öfter aber kam es bei den Videoaufnahmen von privaten BoggerInnen zu massiven Verletzungen der Privatsphäre der BewohnerInnen des Orts. Zum Beispiel werden bei einem 2019 veröffentlichten Video eines norwegischen Youtube-Kanals Kinder vor der Kamera befragt und alltägliche Situationen als sexuelle Perversionen inszeniert. Ein dänischer Blogger veröffentlichte 2020 ein Video, in dem er in Unterwäsche Frauen in ihren privaten Gärten sexuell belästigt und sich in obszönen Posen zeigt. Im selben Video werden auch BewohnerInnen ungefragt gefilmt und besonders Jugendliche und Frauen mit belästigenden Fragen und Aussagen lächerlich gemacht. Im gleichen Video wird aber auch Widerstand gegen diese Verletzung der Privatsphäre sichtbar: Frauen widersprechen lautstark, ungefragt gefilmt zu werden und ziehen den Blogger zur Verantwortung.

 

Ende 2020 beschloss der Gemeinderat, die Ortschaft Fucking in Fugging umzubenennen (was auch mit einer älteren Schreibweise des Ortsnamens begründet wurde). Die Namensänderung wurde nicht von allen Seiten begrüßt. Eine Initiative, die sich selbst als Stimme einer jungen Generation darstellt, startete die Petition „Make Fucking Great Again“, um die Neubenennung rückgängig zu machen. Die Gemeinde aber verspricht sich von der neuen, weniger plakativen Schreibweise des Ortsnamens ein Ende der mittlerweile unerwünschten Besuche.

 

In der Hauptausstellung des Hauses der Geschichte Österreich ist seit September 2021 eine der letzten Ortsende-Tafeln mit der alten Schreibweise des Namens zu sehen, die dem Museum gemeinsam mit der Tafel vom Ortseingang von der Gemeinde Tarsdorf als Schenkung übergeben wurde.

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